Auf der Tonmeistertagung haben wir mit Daniela Rieger gesprochen – Toningenieurin, Forscherin am Fraunhofer IISund seit 2022 Vizepräsidentin des Verbandes Deutscher Tonmeister (VDT). Mitten im Trubel des Abbaus erzählt sie von ihrer Arbeit an MPEG-H Audio, von KI-gestützten Technologien für bessere Sprachverständlichkeit und davon, warum Sichtbarkeit und Nachwuchsförderung in der Audiobranche wichtiger sind denn je.
Ein verjüngtes und vielfältigeres TMT-Publikum
Daniela erlebt die diesjährige Tonmeistertagung als spürbar verjüngt und international. Neben vielen Studierenden sind auffällig viele Frauen vor Ort – ein positiver Trend, wie sie betont. Dass nahezu alle deutschen Hochschulen vertreten sind, zeigt für sie, wie sehr sich das Event geöffnet hat und wie breit das professionelle Klangspektrum heute aufgestellt ist.
Warum sie sich im VDT-Vorstand engagiert
Ihr Weg in den Vorstand begann eher zufällig, doch schnell wurde daraus eine Herzensangelegenheit. Daniela möchte sichtbar machen, dass Audioberufe für alle offenstehen – unabhängig von Geschlecht, Alter oder Ausbildungsweg. Gerade Studentinnen und junge Frauen sollen erleben, dass es im Tonbereich Platz für sie gibt.
„Wenn man auf einer Veranstaltung niemanden sieht, der einem selbst ähnelt, fühlt man sich automatisch fehl am Platz.“ Genau deshalb setzt sie sich dafür ein, dass der VDT diverser wird – von der klassischen Tonmeister-Ausbildung bis hin zu Mediengestaltung, Veranstaltungstechnik und interdisziplinären Studiengängen.
Immersive Audio und MPEG-H – Personalisierbares Hören wird Realität
Am Fraunhofer IIS arbeitet Daniela im SoundLab, einer Schnittstelle zwischen Codec-Entwicklung und realer Anwendung. Dort geht es vor allem um MPEG-H Audio, einen objektbasierten Audiocodec, der Immersive Sound und Personalisierung zusammenführt.
Zu den Funktionen gehören:
- Individuell anpassbare Dialoglautstärke
- Mehrsprachige Audiofassungen
- Audiodeskriptionen
- Kommentatorenwechsel (z. B. beim Sport)
- Immersive Betten in 5.1.4 oder 7.1.4
Während Deutschland noch am Henne-Ei-Problem zwischen Broadcastern und Endgeräteherstellern arbeitet, setzt Brasilien bereits landesweit verpflichtend auf MPEG-H Audio – ein Meilenstein für Next-Generation-Audio.
KI für Sprachverständlichkeit: Dialog+ in ARD und ARTE
Eines ihrer wichtigsten Projekte ist die KI-basierte Dialogseparation „Dialog+“, die in der ARD- und ARTE-Mediathek eingesetzt wird. Die Technologie trennt Sprache von Hintergrundgeräuschen, senkt die Lautstärke des Hintergrunds dynamisch ab und führt alles automatisch wieder zusammen.
Ihre wichtigsten Punkte:
- Vollautomatisierter Workflow
- Keine Artefakte, wenn der Mix bereits gut ist
- Verbesserte Sprachverständlichkeit für Millionen Nutzer*innen
- Besonders relevant für ältere Menschen oder Menschen mit Hörbeeinträchtigungen
Für Dani ist das ein Beispiel dafür, wie KI sinnvoll eingesetzt werden kann – nicht, um kreative Arbeit zu ersetzen, sondern um Inhalte zugänglicher zu machen.
Diversität, Schule & Safe Spaces – Wie man den Nachwuchs erreicht
Daniela betont, dass Nachwuchsförderung viel früher beginnen muss. Viele Jugendliche wissen nicht, dass Audio ein Berufsfeld ist – oder fühlen sich aufgrund fehlender Vorbilder nicht eingeladen. Projekte wie das Klangmobil, das immersive Klangwelten direkt an Schulen bringt, sieht sie als wichtigen Schritt.
Darüber hinaus braucht es Safe Spaces, etwa Workshops nur für Frauen, in denen Fragen ohne Angst vor Bewertung gestellt werden können. Diese Formate schaffen Vertrauen und senken Hemmschwellen für Einsteigerinnen.
Fazit
Daniela Rieger verbindet technologische Innovation, gesellschaftliche Verantwortung und praktische Audioerfahrung auf bemerkenswerte Weise. Ob Immersive Audio, KI-gestützte Barrierefreiheit oder Diversität – ihr Blick zeigt klar: Die Audiobranche steht vor einem Wandel, der technische Entwicklungen und menschliche Strukturen gleichermaßen betrifft.
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